Energiezukunft: Das Wasserstoffregelwerk wächst

Von der Erzeugung über den Transport bis zur Speicherung: Mit dem H2-Regelwerk entstehen verbindliche Vorgaben für Wasserstoffanlagen. Gas Connect Austria gestaltet diese mit. Die ersten Richtlinien wurden 2023 veröffentlicht. Mittlerweile hat sich einiges getan und es sind zwei neue Richtlinien nämlich für Wasserstoff-Betankungsanlagen und -Erzeugungsanlagen dazu gekommen.

Wasserstoff gilt als Gamechanger für die Energiezukunft. Doch was braucht es, damit der richtungsweisende Energieträger in der Breite durchstarten kann? Eine wichtige Voraussetzung sind klare Spielregeln.  Die Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) arbeitet seit 2019 in einem von GCA geleiteten Expert:innenteam intensiv am ersten H2-Regelwerk.

Heimische Unternehmen leisten Pionierarbeit

„Die große Herausforderung für uns war, dass wir auf einem weißen Papier anfan-gen mussten“, gibt Micha Oberhuber Einblicke in den Prozess. Er ist Leiter des ÖVGW-Fachausschusses und Experte für Operation & Maintenance, Anlagentechnik und Prozesssicherheit bei Gas Connect Austria. Denn obwohl Wasserstoff seit über 100 Jahren in der Industrie genutzt wird, gab es bisher kaum Vorgaben – weder national noch international. Im Rahmen verschiedener Arbeitsgruppen leisten seit Projektstart rund 30 Akteure aus der heimischen Gasbranche Pionierarbeit. Neben den großen Gasnetzbetreibern Österreichs bringen namhafte heimische Energieun-ternehmen wie RAG oder OMV ihre Expertise zur Entwicklung des Regelwerks mit ein.

 

„Unser Ziel ist, exakte technische Richtlinien und organisatorische Vorgaben für Wasserstoffnetze und Anlagen zu definieren“, schildert Oberhuber. Diese sind eine wichtige Voraussetzung für die Genehmigung und Errichtung von Leitungen und Anlagen. Zudem ermöglichen sie einen sicheren Betrieb nach festen Standards. Das neue H2-Regelwerk richtet sich an alle potenziellen Wasserstoffnetzbetreiber sowie Errichter und Betreiber beispielsweise von Erzeugungsanlagen oder Tankstellen.

Micha Oberhuber leitet den ÖVGW-Fachausschuss Wasserstoffanlagen. Bei Gas Connect Austria ist er für Operation & Maintenance, Anlagentechnik und Prozesssicherheit tätig.

Erste Richtlinien im Februar präsentiert

Die ersten Richtlinien präsentierte die ÖVGW im Februar 2023. Dabei wurden die Anforderungen an die Beschaffenheit von Wasserstoff für Einspeisung, Transport, Verteilung und Speicherung festgelegt. Zudem wurden Anforderungen für die Er-richtung von Einspeiseanlagen veröffentlicht. „Diese ermöglichen es, die Wasser-stoffproduktion mit den Abnehmer:innen im großen Stil zu verbinden“, hält Ober-huber fest.
Der nächste Meilenstein folgte im Juni. Erstmals wurde eine Richtlinie für den Bau neuer Wasserstoffleitungen ausgegeben. Ein wichtiger Aspekt: Neben verschiede-nen Arten von Stahl wurden auch Kunststoffe wie Polyethylen als wasserstofftauglich bewertet. Diese kommen bereits heute bei der bestehenden Erdgasinfrastruk-tur zum Einsatz. Das erleichtert künftige Umwidmungen.

H2-Regelwerk: Die erschienenen Richtlinien im Überblick

Mittlerweile sind bereits fünf Richtlinien des H2-Regelwerks in Kraft getreten. Diese sind:

  • H B100: Wasserstoffbeschaffenheit (gültig seit Februar 2023)
    Diese Richtlinie definiert die Anforderungen an die Beschaffenheit des gas-förmigen Wasserstoffs für Einspeisung, Transport, Verteilung und Speicherung.
  • H E310: Wasserstoff-Einspeiseanlagen (gültig seit Februar 2023)
    Hier sind Planung, Errichtung und Erstprüfung von Wasserstoff-Einspeiseanlagen geregelt. Es geht um die Einspeisung in reine Wasserstoff-netze sowie in Gasnetze.
  • H E200: Wasserstoffleitungen (gültig seit Juni 2023)
    Diese Richtlinie regelt alle Kriterien für die Planung, Errichtung und Erstprü-fung neuer Wasserstoffleitungen. Auch Materialien und Dimensionierung sind darin festgelegt.
  • H E510: Wasserstoff-Betankungsanlagen (gültig seit Oktober 2023) 
    Es wird die Planung, Herstellung, Errichtung und Erstprüfung von stationären Betankungsanlagen (vgl. Tankstellen) geregelt. Neben technischen Vorgaben wird hier auch der Genehmigungsprozess beschrieben.
  • H E100: Wasserstoff-Erzeugungsanlagen (gültig seit April 2024)
    Die Richtlinie gilt für die Planung, Errichtung und Erstprüfung von gewerblichen, kommunalen, industriellen sowie netzdienlichen Anlagen für die Herstellung von Wasserstoff.

Ausblick: Das Wasserstoffregelwerk wächst

„In den kommenden Monaten geht es Schlag auf Schlag weiter“, so Oberhuber. Gegen Ende des Jahres wird voraussichtlich die bereits finalisierte Betriebsrichtli-nie „In- und Außerbetriebnahme von Wasserstoffleitungen und –anlagen“ veröf-fentlicht. Darauf folgt Anfang 2025 die Richtlinie zur Regelung von mobilen Wasser-stoffbetankungsanlagen. Diese wurde z.B. von unterschiedlichen Baumaschinenherstellern gefordert um in Zukunft wasserstoffbetriebene Arbeitsmaschinen auf der Baustelle, im Steinbruch usw. betanken zu können. Einer weiteren Entwicklung solcher Geräte steht somit nichts mehr im Wege. „Parallel wird auch schon inten-siv an einer – aus Netzbetreibersicht – sehr wichtigen Richtlinie zur Umstellung von Gasleitungen auf den Betrieb mit Wasserstoff gearbeitet“, sagt der Experte. Die Energiezukunft nimmt in Österreich weiter Fahrt auf.

Über Greening the Gas

Über 30 Projekte: So viele Forschungsvorhaben wurden bereits im Rahmen der ÖVGW-Initiative „Greening the Gas“ mit nationalen und internationalen Part-ner:innen umgesetzt. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in das neue H2-Regelwerk ein. Ein Beispiel dafür ist das Projekt HyGrid2. Darin wird bis 2025 der Transport von reinem Wasserstoff in gebrauchten Erdgasleitungen untersucht. Erfahren Sie mehr: HyGrid2.