Saubere Lösung: Flüssiges Erdgas (LNG) und Biogas (LBG) als Kraftstoffe für den schweren LKW-Verkehr

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Flüssiges Erdgas, bekannt als LNG (Liquified Natural Gas), ist Erdgas, das durch Abkühlung auf minus 160 Grad Celsius verflüssigt wird, wodurch sein Volumen auf ein Sechshundertstel schrumpft. Dafür benötigt man auf der Produzenten-Seite Verflüssigungsanlagen und auf Empfänger-Seite Regasifizierungs-Terminals. Riesige Mengen Erdgas können so mittels Tankschiffen in Verbraucherländer gebracht werden, wo es wieder in einen gasförmigen Zustand umgewandelt und über das Gasleitungsnetz verteilt wird. Europaweit gibt es derzeit 36 solcher Terminals, über die Flüssigerdgas an Land gebracht wird. Gemeinsam verfügen die europäischen Terminals über eine Regasifizierungskapazität von 241 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Das entspricht mehr als der Hälfte des jährlichen Erdgasverbrauchs in der Europäischen Union.
Näher am Verbraucher
Seit einigen Jahren zeichnet sich aber auch ein Trend hin zu Gas-Verflüssigungsanlagen in kleinerem Maßstab – sogenannte Small Scale LNG Terminals – ab, um flüssiges Erdgas näher an die Verbraucher zu bringen, die bisher aufgrund langer Distanzen keinen Zugang hatten. Laut Gas Infrastructure Europe (GIE), dem Interessensverband der europäischen Gas-Infrastrukturbetreiber, zeigen Daten, dass sich die LNG-Infrastrukturen, welche Dienstleistungen in kleinem Maßstab anbieten, in ganz Europa stark entwickeln, sei es als Treibstoff im See- und Schwerlastverkehr oder als netzunabhängige Energielösung. Insbesondere für den Straßentransport hat sich der Trend bestätigt: Inzwischen sind rund 330 LNG-Tankstellen in Europa in Betrieb. Der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber Trans Austria Gasleitung GmbH (TAG GmbH) plant eine Verflüssigungsanlage für Erdgas und Biogas in Österreich zu errichten. Wir haben beim Projektverantwortlichen Roberto Tebaldi, Leiter der Abteilung Commercial der TAG GmbH, nachgefragt, um mehr über die Hintergründe und Ziele dieses innovativen Projektes zu erfahren.
Gas im Fokus: Herr Tebaldi, worum geht es beim Projekt Small Scale LNG/LBG?
LNG (Liquified Natural Gas) und LBG (Liquified Bio Gas) als Treibstoffe für schwere LKW, größer als 12 Tonnen, und Sattelzüge stellen eine Dekarbonisierungsalternative zu Diesel dar. Der Beitrag zur Reduktion von Stickstoffdioxid- und Schwefeldioxidemissionen sowie Feinstaub ist auch wesentlich. Ein kurzer Blick auf einer europäischen Tankstellenkarte veranschaulicht perfekt diesen Trend: knapp 330 öffentliche LNG-Tankstellen sind aktuell in der EU in Betrieb; mit Beginn 2015 waren es nur ein paar.
Da die existierenden europäischen LNG Regasifizierungsterminals rund 800 km von Österreich entfernt sind, ist unsere Idee, LNG und LBG durch eine in Österreich errichtete Verflüssigungsanlage zu produzieren, um einheimische Tankstellen und Logistikunternehmen zu beliefern.
Beim Projekt Small-Scale LNG/LBG geht es also um die Bereitstellung von Bio- bzw. Erdgas als Kraftstoff für LNG/LBG-betriebene LKWs. Das Biogas wird von Biogasanlagen ins Transportsystem physikalisch oder virtuell eingespeist. Solange das Biogas-Zertifikatssystem noch nicht realisiert ist, kann Erdgas als Übergangslösung eingesetzt werden. Das Gas wird danach über das Transportsystem der TAG GmbH in die geplante Verflüssigungsanlage eingespeist und in LBG/LNG umgewandelt. Der nächste Schritt ist die Belieferung von Tankstellen und Logistikunternehmen.
GIM: Wo genau in Österreich soll die Anlage entstehen und welche Überlegungen lagen dieser Standort-Entscheidung zugrunde?
Die genaue Lokalisierung hängt vor allem vom Zielmarkt ab. Optimal genau dort, wo die Konzentration von Tankstellen und von logistischen Zentren am höchsten ist und sich gleichzeitig die europäischen Hauptverkehrskorridore kreuzen. Dabei fließen die Kriterien wie Nähe zum bestehenden Gastransportsystem der TAG GmbH, Anbindung zu Hauptverkehrswegen, Anbindung an das Stromnetz sowie ein potenzieller Absatzmarkt für LNG in die Evaluierung des möglichen Standortes ein. Die finale Standort-Entscheidung wird erst in der nächsten Projektphase getroffen.
GIM: Können Sie uns in einfachen Worten erklären, wie die Anlage funktioniert?
Angebunden an das bestehende Leitungsnetz wird das zu verflüssigende Biogas bzw. Erdgas zunächst gereinigt. Dabei werden sämtliche beim Verflüssigungsprozess unerwünschte Bestandteile wie z.B. CO2 abgeschieden und das Gas von Restfeuchtigkeit befreit. Im nächsten Schritt wird das gereinigte Gas in der sogenannten Kaltbox auf ca. -160°C abgekühlt und damit verflüssigt. Dies geschieht über einen speziell entwickelten Wärmetauscher. Als Kühlmittel kann z.B. flüssiger Stickstoff verwendet werden. Das tiefkalte, verflüssigte Gas wird anschließend in vakuumisolierte Lagertanks geleitet, von denen es über spezielle Verladeeinrichtungen in Transport-LKWs verpumpt wird. Mittels dieser Transport-LKWs kann das LBG/LNG an die diversen öffentlichen als auch betriebsinternen Tankstellen bei Frächtern geliefert werden.
GIM: Worauf fokussieren Sie sich bei diesem Projekt? Wer sind die potenziellen Abnehmer?
Der Fokus liegt derzeit auf der Marktentwicklung in Zusammenarbeit mit LKW-Produzenten, Tankstellenbetreibern und Logistikunternehmen. Potenzielle Kunden sind sowohl öffentliche Tankstellen, auf Autobahnen oder Landstraßen, als auch privat betriebene Tankstelle bei Logistikunternehmen. Die LKW-Produzenten zusammen mit den Tankstellenbetreibern bilden das Bindeglied zwischen der Bereitstellung von LNG/LBG und den Endverbrauchern. TAG GmbH ist davon überzeugt, dass diese Initiative nur durch einen gemeinsamen Weg und in voller Synergie mit allen Marktteilnehmern in der Energie- und Mobilitätsbranche zum Erfolg kommen kann.
Ein weiterer Fokus liegt derzeit auf der öffentlichen und institutionellen Wahrnehmung der unentbehrlichen, künftigen Rolle des LNG/LBG Kraftstoffes als Alternative für schwere LKWs. Deutschland hat bereits die Mautbefreiung für LNG betriebene LKWs verlängert und Italien unterstützt finanziell bereits seit einigen Jahren die Anschaffung von LNG-LKWs. LNG/LBG soll auch in Österreich gefördert werden.
GIM: Welches Potenzial sehen Sie für „Small Scale LNG/LBG“ hinsichtlich Klimaschutz?
LNG/LBG bietet die Möglichkeit umweltschonender Mobilität. Der Mobilitätssektor ist einer der vielversprechendsten Sektoren für die Dekarbonisierung. Aus aktueller Sicht führt LNG zu einer substanziellen CO2 Emissionsreduzierung in der Höhe von 15 - 25%, beim Einsatz von LBG sogar von 90 bis zu 95% weniger Emissionen. Bei Schwefeldioxid beträgt die Reduktion bis zu 100%, bei Stickstoffoxid beläuft sie sich auf 80%.
Derzeit können keine anderen Alternativen zum Diesel eine solche positive Dekarbonisierungsbilanz aufweisen. Die LNG/LBG-Technologie ist ausgereift und einsetzbar und der einzig gangbare Weg für das Marktsegment der LKW größer 12t, um die Ziele der österreichischen Regierung zur Karbonneutralität zu erreichen.
GIM: Wann soll mit dem Bau der Anlage begonnen werden und wann wird sie voraussichtlich fertiggestellt sein?
Derzeit befindet sich das Projekt noch in der Entwicklungsphase, die nach Investitionsentscheidung in die Bauphase übergeht. Das Fertigstellungsdatum steht derzeit noch nicht fest. TAG GmbH ist bestrebt, die Anlage so rasch wie möglich in Betrieb zu nehmen.
Die Fakten im Überblick
LNG/LBG in der Mobilität …
- LNG/LBG in der Mobilität trägt zu einer potenziellen Reduzierung von 15 - 25% der Treibhausgase bei.
- Bei LBG ergibt sich eine potenzielle Reduzierung der Treibhausgase von 90 bis zu 95%.
- Zusätzlich erheblich SOx- und NOx-Reduzierung und damit Verbesserung der Luftqualität bei gleichzeitiger Minderung der Lärmemission.
- Ausgereifte Technologie sowohl auf Seiten der LNG/LBG-Herstellung als auch bei Fahrzeugen
- Verfügbarkeit Gas (Energiequelle für Übergang; Biomasse für Biogas)
- Leistbare Lösung sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb
- Durchschnittliche Reichweite pro Trankfüllung von 1000 bis 1400 km
- 5 bis 10% Kostenvorteil gegenüber Diesel, umso mehr bei steigender Verbreitung und bei zunehmenden Kosten für CO2
- FR, DE, NL und IT haben heute höchsten LNG/LBG-Marktanteil in der Mobilität in Europa
LKW-Verkehr in Österreich
- Voraussichtliche Steigerung des Transportaufkommens in Europa
+15 - 25% im Zeitraum 2030 bis 2040,
+30 - 40% im Zeitraum 2040 bis 2050 - Der Transit macht etwa 50% des LKW-Verkehrs in Österreich aus
- 50% Betankung von LKWs an öffentlichen Tankstellen
- 50% Betankung von LKWs an unternehmensinternen Tankstellen
- ~ 40% der CO2 Emissionen in Österreich (nicht ETS)
- ~ 30% davon auf LKW der Klasse N2 und N3 (> 3,5 t)