REPowerEU – Diversifizierung der Versorgungsrouten: Wer „WAGt“, gewinnt

Flüssiggasimporte (LNG) - eine besondere Herausforderung für Binnenländer


Die mit REPowerEU angestrebte Reduktion der Abhängigkeit von russischem Gas durch alternative Quellen wie z.B. LNG zu ersetzen, stellt einen Paradigmenwechsel in der künftigen österreichischen Gasversorgung dar. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer politischen Neuorientierung und ist primär nicht einer Marktreaktion geschuldet. Mit dem aktuellen Fokus auf LNG rückt für Österreich aufgrund der geographischen Lage als Binnenland auch das Thema der nationalen Versorgungsicherheit in den Vordergrund. Hier spielt einerseits der vertraglich gesicherte Bezug ausreichender LNG-Mengen eine Rolle, andererseits müssen diese Mengen bei vollständigem Wegfall von russischem Erdgas tatsächlich auch physisch über das europäische Gasnetz nach Österreich transportiert werden können, sei es für den Verbrauch oder auch zum Zweck der Einspeicherung. Als österreichischer Fernleitungsnetzbetreiber ist es unsere Aufgabe Transportmöglichkeiten aufzuzeigen und entsprechende Projekte zu entwickeln, die den Import aus alternativen Quellen ermöglichen und somit einen Beitrag zur Erhaltung der Versorgungssicherheit leisten. Aus unserer Sicht sind folgende Projekte am aussichtsreichsten, um die Versorgungsrouten nach Österreich im Sinne von REPowerEU zu diversifizieren.

„WAG Loop“ - ein vielversprechendes Projekt in mehrfacher Hinsicht

Mittelfristig – Möglichkeit zur Diversifizierung der Quellen und Stärkung der Versorgungssicherheit

Diversifizierung der Quellen: Die West-Austria-Gasleitung „WAG“ verläuft von der slowakisch-österreichischen Grenze durch Niederösterreich und Oberösterreich zur österreichisch-deutschen Grenze. Sie besteht derzeit aus einem durchgängigen Leitungsstrang und einem weiteren Leitungsstrang, der zwar größtenteils aber nicht durchgehend parallelisiert („geloopt“) ist. Beide Leitungsstränge werden bidirektional betrieben. Die Realisierung des Projektes „WAG Loop“ würde den Lückenschluss des nicht durchgängigen Leitungsstrangs der WAG (ca. 100 km) bedeuten, wodurch eine erhebliche zusätzliche Versorgung von in Nordwest-Europa anlandendem Flüssiggas und/oder Nordseegas über Deutschland nach Österreich möglich wäre. Aufgrund der bestehenden LNG Terminals in Nordwest-Europa, der geplanten Errichtung von LNG Terminals in Deutschland 2023 und dem Zugang zu Nordseegas besteht mittelfristig großes Potential für eine alternative Gasversorgung aus dieser Richtung. Die Kapazität der WAG mittels „WAG Loop“ zu erhöhen, hätte auch das Potential die zuletzt gestiegene Kapazitätsnachfrage von Deutschland nach Österreich zu decken. Die koordinierte, grenzübergreifende Netzentwicklungsplanung wird die entsprechenden Potenziale, auch auf deutscher Seite, weiter untersuchen.

Stärkung der Versorgungssicherheit: Auch im Hinblick auf die beabsichtigte Anbindung des Gasspeichers Haidach an das österreichische Gasnetz ist die Realisierung des Projektes eine Voraussetzung, um zusätzliche Kapazitäten für die gesicherte Befüllung und Entnahme in und aus diesem Speicher sowie den Weitertransport in das österreichische Marktgebiet zu ermöglichen.

Langfristig – Die Vorbereitung des European Hydrogen Backbone (EHB)

Gleichzeitig wird mit der Realisierung des „WAG Loop“ der Weg geebnet zukünftig (grünen) Wasserstoff in signifikanten Mengen nach Österreich zu bringen und zusätzlich an Bedarfsträger in den süddeutschen Raum weiterzuverteilen. Mit der Herstellung eines parallelen Leitungssystems wären dann beide Energieträger, Erdgas und Wasserstoff, gleichzeitig im Netz transportierbar. Dies stellt einen entscheidenden Vorteil für den Hochlauf eines zukünftigen Wasserstoffmarkts dar. Mit dem „WAG Loop“ kann Wasserstoff dann entweder aus Nordafrika über Italien bzw. über Rumänien oder die Ukraine nach Österreich gebracht und an angrenzende Verbrauchsländer weitertransportiert werden. Damit werden die Voraussetzungen für die in der „EHB“-Studie  skizzierten Wasserstoff-Versorgungskorridore, insbesondere für die Korridore „North Africa & Southern Europe“ sowie „East and South-East Europe“ geschaffen. Damit wäre auch eine Versorgung der Industrie im Großraum Linz sowie der Raffinerie Schwechat mit erneuerbarer Energie möglich.

Weitere Möglichkeiten zur Diversifizierung der Routen

Das Projekt „Entry Murfeld“ ermöglicht es Österreich alternativ mit LNG aus Kroatien (Terminal in Krk) via Slowenien zu versorgen. Dazu wären neben einer substantiellen Erweiterung des LNG Terminals in Krk auch Infrastrukturanpassungen in den vorgelagerten Nachbarländern notwendig, um den grenzüberschreitenden Transport in Richtung Süd-Nord zu ermöglichen. Auch dieses Projekt wird wasserstofftauglich konzipiert, sodass es ebenso einen wichtigen Beitrag für die Dekarbonisierung des Energiesystems und die Schaffung eines europäischen Wasserstoffnetzes leisten kann.

Weitere Projekte zur möglichen Diversifizierung der Versorgungsrouten sind „CZATI“ und „Entry Mosonmagyaróvár“. Erstgenanntes Projekt schafft die erstmalige (bidirektionale) direkte Verbindung von Österreich und Tschechien auf Fernleitungsebene. Als alternative Quelle wäre beispielweise LNG aus Polen vorstellbar. Mit „Entry Mosonmagyaróvár“ könnte Österreich die Verbindungskapazitäten von Ungarn nach Österreich stärken. Dadurch könnte beispielsweise Schwarzmeergas nach Österreich gelangen. Für „CZATI“ und „Entry Mosonmagyaróvár“ werden im nächsten Schritt am 4. Juli 2022 Auktionen für neu zu schaffende Kapazität stattfinden. Marktteilnehmer haben dabei die Gelegenheit ihre langfristige verbindliche Kapazitätsnachfrage abzugeben. Bei Vorliegen ausreichender verbindlicher Buchungen und eines positiven Wirtschaftlichkeitstests würde das jeweilige Projekt realisiert werden. Jedoch ist davon aus folgenden Gründen nicht auszugehen.

Investitionen in Versorgungssicherheit an Stelle von Marktnachfrage

Der Markt löst aufgrund des derzeitigen Konkurrenzdrucks und der fehlenden Perspektiven (Ausstieg aus Erdgas langfristig) keine Fragen der Versorgungsicherheit. Um die gewünschte Diversifikation rasch zu ermöglichen, ist es wichtig bei der Finanzierung der notwendigen Projekte die ausbleibende Marktnachfrage zu ersetzen. Daher sollten im europäischen Rahmen wie z.B. REPowerEU oder bei der Erstellung der nächsten Unionsliste für Vorhaben von gemeinsamen Interesse (kurz „PCI“) österreichische Gasinfrastrukturprojekte, wie z.B. der „WAG Loop“ Berücksichtigung finden, damit die Qualifikation für potentielle europäische Fördermöglichkeiten gegeben ist. Auch national ist die gezielte Unterstützung von Infrastrukturprojekten, z.B. in Form von Förderungen oder Rückgewinnungsgarantien für das eingesetzte Kapital aus unserer Sicht nicht nur begrüßenswert, sondern sogar notwendig.

Selbst bei sinkendem Erdgasbedarf und der Verfolgung weiterer REPowerEU Maßnahmen, wie z.B. der Verdoppelung der EU-Biogasproduktion auf 35 Mrd. m³ pro Jahr bis 2030 oder der Erhöhung von Energieeffizienzmaßnahmen, wird für die nächsten zwei Jahrzehnte eine Diversifizierung der Quellen unbedingt notwendig sein, sofern man weiterhin die Absicht verfolgt auf russisches Gas zu verzichten. Deshalb werden Investitionen und ein rasches Handeln in diesem Bereich erforderlich sein.